Fragen an Tanja Rühl
Tanja Rühl ist Lichtdesignerin und arbeitet freiberuflich unter anderem mit dem Choreographen William Forsythe__
1. Kunst und Leben
Welcher Mensch, welche Menschen hat/haben dich besonders geprägt in deiner künstlerischen Entwicklung und in deinem Leben?
Ganz klar, war und ist William Forsythe die prägende Persönlichkeit in meiner künstlerischen Entwicklung. Er hat mich quasi “erzogen” was mein künstlerisches Denken und mein Verständnis für Ästhetik angeht.
Viel gelernt habe ich natürlich auch von den Beleuchtungsmeistern, die vor mir mit ihm gearbeitet haben.
Damit enden aber die Einflüsse nicht, denn jede neue Kreation und jeder Künstler mit dem ich arbeite ist für mich auch immer die Möglichkeit dazuzulernen.
Im Leben, natürlich meine Familie, meiner Erziehung, meine Freunde.
Die Menschen, die mich umgeben, meinen Weg kreuzen und die, die ich auf meinen Reisen kennenlernen durfte und darf.
Welche Eindrücke und Erfahrungen speist du in deine Arbeit ein? Liest du gerne? Wenn ja, welche Art von Büchern?
Schwer zu sagen, weil es so vieles sein kann.
Ich denke, ich versuche immer wach zu sein und viel von meiner Umwelt wahr zu nehmen.
In meinem Bücherregal findet sich alles, von Nelson Mandelas Biografie, über die Geschichte des Konfliktes in Nordirland, Sachbücher über Orangutans, Bildbände von Großstädten, Klassiker und aktuelle Bestseller.
Dabei mische ich immer deutsche und englische Bücher.
Nur Kriminalromane und Thriller lese ich nicht, weil ich finde, dass die Welt an sich schon brutal genug ist.
Was brauchst du um Lebensqualität zu spüren? Wie wichtig ist dir reisen?
Lebensqualität bedeutet Zufriedenheit, mit dem was man hat und mit dem was man ist.
Ich habe großen Spaß an meiner Arbeit, muss aber auch gleichzeitig darauf achten, meinem Privatleben genügend freie Zeit zu widmen.
Das musste ich erst noch lernen über die Jahre.
Mein Beruf ist ein Traumjob, aber es gibt Wichtigeres im Leben.
Reisen spielen in meinem Leben eine große Rolle.
Natürlich bin ich beruflich schon sehr viel unterwegs, versuche dabei aber auch ab und an noch einige Tage privat dranzuhängen, wenn es spannende Orte sind, an denen ich arbeiten darf.
Aber Reisen außerhalb der Arbeit ist noch schöner.
Ich denke es ist wichtig so viel wie möglich von dieser Welt zu sehen, um sie besser zu verstehen.
Du bist Vegetarierin. Wie sorgst du auf Reisen für deine Ernährung?
Im Moment surfe ich auf der großen Vegan- / Vegetarisch-Welle, die so langsam auf viele Teile dieser Welt überschwappt.
Von daher ist es recht einfach.
Mit kleinen Rückschlägen, wie gerade in San SebastiaÌn, die Basken scheinen ihr Fleisch und ihren Fisch sehr zu lieben.
2. Arbeitsverhältnisse
In wie vielen Ländern hast du bisher gearbeitet?
Können wir das auf Kontinente beschränken? Mir fehlt noch Afrika.
Wie viele Frauen waren bisher deine Arbeitgeberinnen? In wie fern unterscheidet sich aus deiner Sicht die Arbeit mit weiblichen Direktorinnen zu männlichen? Spielen dabei inhaltliche und künstlerische Auseinandersetzungen eine Rolle?
Ich glaube eine genaue Anzahl kann ich da jetzt nicht nennen.
Direktorinnen gibt es ja eher weniger in der Welt des Tanzes.
Wieso ist das eigentlich so?
Meine Erfahrung bezieht sich da eher auf Choreografinnen.
Ich könnte jetzt behaupten, dass das Arbeiten mit Frauen intuitiver ist, aber eigentlich mache ich da keine geschlechtsspezifischen Klassifizierungen.
Wir sind alle Künstler, die an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, da spielt es für mich keine Rolle, ob Frauen oder Männer in der Mehrheit sind.
Welche wiederkehrenden Verhaltensweisen kannst du bei Choreographen/Regisseuren feststellen, die du speziell männlichen bzw. weiblichen Kollegen/innen zuschreiben würdest?
Auch hier sticht jetzt nicht wirklich etwas Geschlechtertypisches heraus.
In seltenen Fällen habe ich bei Choreografen den Eindruck, dass es ihnen leichter fällt
mit Tänzern zu arbeiten, als mit Tänzerinnen.
Bzw. die Rolle der Frau, auch heutzutage, bei den jungen Choreografen oftmals noch sehr archetypisch ist. Das zarte Wesen, das man mit Hebefiguren umgarnen muss, weil sie sonst nicht alleine vorwärts kommt.
Hast du schon mit einer weiblichen Lichtmeisterin gearbeitet? Wenn ja, wo?
Das werden eigentlich immer mehr.
Vor einigen Jahren schon bei Sadlers Wells in London, sie ist heute auch Technische Leiterin des Hauses.
In der Schweiz, in Spanien, USA.
Also, keine große Seltenheit mehr.
Welche Verhaltensweisen oder Gedanken nutzt du bei der Arbeit mit den Lichttechnikern/innen, um deine Lichtidee durchzusetzen?
Durchsetzen klingt jetzt so nach Widerstand.
Ich weiß ja was ich machen möchte. Meine Erfahrung und mein Wissen bringen mir da ein gewisses Maß an Souveränität.
Das soll jetzt aber nicht heißen, dass ich nicht offen wäre für Ideen oder Vorschläge der Menschen mit denen ich in den Theatern und auf der Bühne arbeite.
Die kennen ihr Haus ja besser und wissen, ob bestimmte Ideen funktionieren oder nicht.
Freunde von mir haben mich mal gefragt, ob ich in meinem Beruf geliebt oder gefürchtet sein möchte.
Meine Antwort war: Ich möchte respektiert werden.
3. Kollegen und Kolleginnen
Wurde es dir schonmal schwer gemacht in der Arbeit mit Gewerken im Theater aus dem Grund dass du eine Frau bist? Wurdest du schonmal auf Grund deines Geschlechts diskriminiert? Wenn ja, was war dein Weg damit umzugehen? Wann kommt es vor, dass du deine Kompetenz als Lichtdesignerin beweisen musst?
Es gab schon einige Begebenheiten.
Interessanterweise eher in den Südeuropäischen Ländern.
Extrem war es an der Mailänder Scala. Da hat es gute zwei Tage gedauert, bis die Techniker von Bühne und Beleuchtung verstanden haben, dass das was die Blondine aus Deutschland zu sagen hat, Hand und Fuß hat und auch so umgesetzt wird.
Ich bin ein sehr ruhiger und geduldiger Mensch und werde auch nicht laut, wenn Dinge nicht so laufen, wie ich es mir vorstelle.
Aber irgendwann ist dann der Moment erreicht in dem ich in der Sache knallhart werde. Dazu braucht es aber schon sehr viel und meistens genügt ein kurzer Augenblick, um alles wieder auf die Spur zu bringen.
Was meine Kompetenz angeht, manchmal bin ich selbst von mir überrascht, was ich alles so weiß. 🙂
Hast du in deinem Bekannten- oder Freundeskreis weibliche Lichtdesigner?
Wenn ja, sprecht ihr über die Arbeit und geht es dabei neben technischen Dingen auch über Durchsetzungstechniken? Bedingt sich das Wissen über das eine mit dem anderen?
Ja, ich kenne einige Frauen, die im gleichen Berufsfeld arbeiten.
Aber keine von denen denkt viel darüber nach, wie sie den männlichen Kollegen gegenüber erscheint.
Wir machen unsere Jobs weil wir sie lieben und verschwenden eigentlich keinen Gedanken daran, wie wir uns und unser Wissen und Können verkaufen.
Welche Unterschiede gibt es in deiner Wahrnehmung von weiblichen Lichttechnikern zu männlichen in ihrem Verhalten oder in ihrer Arbeitsweise?
(die Frage kann ich nicht wirklich beantworten, es gibt wie überall im Leben hellere und dunklere Leuchten. 😉 )
Danke für deine Zeit!
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Wer mehr über ihre Arbeit erfahren möchte schaue unter__
http://www.tanjaruehl.com/