bereue _ nicht _ aufstehen

Fragen an

___________ Quint Buchholz

 

Was ist deine Art mit Ideen und Visionen umzugehen? (privat, gesellschaftlich, künstlerisch)

Ich versuche, dranzubleiben an den Dingen, an den Ideen, die mir am allerwichtigsten sind. Das gelingt längst nicht immer, und in diesen Zeiten, das wissen wir alle, werden wir ständig von allen möglichen Impulsen abgelenkt, woandershin gezerrt, zerstreut. In Ruhe bei einer Sache bleiben können, Konzentration aufbringen, hartnäckig sein können, sich immer wieder auf das zu fokussieren, worum es einem geht, warum man eigentlich unterwegs ist, das sind Haltungen, die man immer wieder neu üben und ergreifen muss in diesem reizüberfluteten, in kleinste Einheiten zerhackten modernen Sein. 

 

Natürlich weiß ich längst, dass ich sowieso nicht alle Ideen umsetzen kann. Immer nur einen kleinen Teil. Aus den meisten wird nie was. Mein Regal mit den Skizzenmappen erzählt davon seit vielen Jahren. Aber ich will dran bleiben und so viel wie möglich schaffen. Der Maler Otto Dix hat mal zu seinen Studenten gesagt, als sie ihn gefragt haben, was man braucht, um ein guter Künstler zu werden: “Auf den Arsch setzen und malen, und wenn der Kaiser kommt.”

 

Wie übersetzt du deine kreative Energie/welche Schritte gehst du dabei?

Das Wort “kreativ” ist mir eher nicht so sympathisch. Ich möchte auch gar keinen großen Mythos aus dem machen, was wir tun. Wir versuchen uns zu öffnen, etwas Neues zu entdecken und in eine Form zu bringen, die anderen etwas erzählt, ihr eigenes Sein berührt, sie mitnimmt und im besten Fall vielleicht ein bisschen bewegt, verändert in irgendeiner Weise. Aber das, was ich tue, verstehe ich als Arbeit, als Handwerk, auch wenn dabei dann immer wieder Dinge passieren, die nicht geplant waren. Wir stellen also natürlich nicht nur ein Werkstück nach Plan her. 

Und ich muss das lieben, was ich male, jede Figur, jede Wolke, jeden Dachziegel, jeden Grashalm. Jeden Quadratzentimeter Bild. Anders geht es nicht.

Beim Ideen entwickeln und dann auch beim Malen versuche ich immer, eine Balance zu finden zwischen dem Wollen, dem Geplanten auf der einen und dem Geschehenlassen, dem Überraschtwerden auf der anderen Seite. Dranzubleiben an der Idee, am Ausgangsimpuls und gleichzeitig wahrzunehmen, wohin das Bild will, wie es werden will.

 

 

Ich spiele viel mit Ideen, probiere alles Mögliche aus, stelle gefundene Lösungen auch noch mal auf den Kopf und mische sie wieder durcheinander. Und sehe, was funktioniert und was nicht. Das weiß ich zu Beginn eigentlich nie, aber wenn ich die Möglichkeiten, die Skizzen anschaue, dann sehe ich doch meistens, wo es langgeht. Oder zumindest, wo es definitiv nicht langgeht.

 

 

Wann entstehen bei dir Stockungsphasen im Arbeitsprozess und wie überwindest du sie?

Die zähen Phasen häufen sich, je länger ich das schon mache. Die Ideenfindung dauert oft viel länger als früher, einfach weil ich mit viel mehr Zweifeln und mit viel weniger Unbekümmertheit unterwegs bin als früher. Und beim Malen gibt es immer lange Phasen, wo ich das Gefühl habe, gerade dieses Bild taugt nun wirklich gar nichts, wird nie was, erzeugt nichts als gähnende Langeweile. Aber weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass viele Dinge in meinen Bildern sich am Ende doch fügen, auf eine Weise zueinanderfinden und einen gemeinsamen “Klang” erzeugen, versuche ich immer dranzubleiben und hoffe, dass es vielleicht wieder so einigermaßen gut ausgeht.

 

 

Zur Zeit experimentiere ich auch damit, mehrere Bilder simultan, aber in unterschiedlichen Phasen zu malen. Ich vermute, es könnte mir gerade in diesen zähen Phasen zu Beginn helfen, an einem schon fortgeschrittenen, aber auch ganz aktuellen Bild ablesen zu können, dass es sich lohnen könnte, weiterzumachen.

Wer oder was gibt dir Antrieb in schwierigen Phasen des Arbeitens?

Eben das: Immer weiter machen, nicht zu viele Bedenken auftürmen, mit denen man ja meistens auch nichts löst, sondern sich eher noch mehr blockiert, das hilft. Vorher die richtige Musik zu hören, das hilft mir auch oft. Manchmal aber auch das Loslassen, einen Plan für eine Weile auf die Seite zu legen, eine Nacht darüber zu schlafen. Und mich letztlich dann auch nicht zu ernst zu nehmen. Am Ende bleibt es doch ein Spiel, oder? Kurt Schwitters hat gesagt: “Ein Spiel mit ernsten Problemen. Das ist Kunst.” 

Wann hattest du zuletzt den Eindruck, dass deine Werke einen Twist/eine unbekannte Richtung nehmen können? Wie kam der Eindruck zustande? 

Den Eindruck habe ich oft, und hätte ich ihn nicht, würde ich ihn vermissen. Ich möchte ja auch selbst überrascht werden von einem Bild. 

Auf der ersten Skizze, die ich zu einer Idee mache, ist oft etwas ziemlich anderes zu sehen als dann später auf dem fertigen Bild. Inzwischen fange ich manchmal mit dem Original an, ohne die zentrale Figur zu kennen bzw. definiert zu haben. Das hätte ich früher nie gemacht. Aber jetzt gibt es Punkte, an denen muss ich ein Bild anfangen, da ich sonst nicht mehr vorwärts komme. Ich muss dann das Bild richtig sehen und spüren, die Situation, die Landschaft, den Raum, das Wetter, die Atmosphäre, um entdecken zu können, wer dort unterwegs ist und was er gerade macht. 

 

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